Beginn der Reise


Es ist nun schon einige Tage her, seit du aufgebrochen bist. Du bist die endlos scheinende Hauptstraße quer durch das Land marschiert, und die paar Tage, die du nun bereits unterwegs bist, sind dir viel länger vorgekommen.

 

Die Tage waren ereignislos, man könnte sogar fast langweilig sagen. Der Höhepunkt deines bisherigen Abenteuers war, als du in einem Waldstück in einiger Entfernung einen wilden Eber gesehen hast. Dieser sah allerdings nur in deine Richtung und machte keinerlei Anstalten näherzukommen. Vor dem Aufbruch war deine größte Sorge noch, dass dich irgend so ein wildes Monster fressen würde, doch mittlerweile bist du der Meinung, dass du höchstens vor Langeweile sterben wirst.

 

Du hast nur wenige Dörfer passiert und auch diese waren sich immer sehr ähnlich. Ein paar einzelne Hütten, viele fleißige Bauern und sonst nichts. Die meisten Nächte hast du alleine um ein Lagerfeuer verbracht. Zum Glück hast du genug Proviant dabei, um wenigstens nicht hungern zu müssen und auch das Wetter ist dir hold und es ist warm. Nicht zu warm, sondern schön angenehm, wie es im Frühling sein sollte.

 

So marschierst du also dahin und hoffst, dass bald etwas Aufregendes passieren wird. Langsam beginnt es bereits zu dämmern und noch während du nach einem guten Lagerplatz Ausschau hältst, siehst du in einiger Entfernung den Schein eines Feuers. Es sieht aus wie ein Lagerfeuer, aber mehr kannst du auf diese Entfernung nicht erkennen. In der Hoffnung, dort vielleicht etwas Gesellschaft zu finden, näherst du dich dem Feuer. Um den hellen Schein, ganz dicht am Feuer, sitzt eine ältere Frau. Sie sieht abgemagert, aber nicht unfreundlich aus. Als sie dich bemerkt, winkt sie dir mit ihrer knöchrigen Hand. Sie deutet auf das Feuer und bittet dich, dich zu ihr zu setzen. Du bist froh, endlich mal wieder mit jemandem reden zu können, daher leistest du ihrer Bitte Folge und gesellst dich zu ihr. Sie erzählt dir, dass sie eine wandernde Wahrsagerin ist und sich schon ihr ganzes Leben auf Reisen befindet. Neugierig geworden fragst du sie, ob sie auch in deine Zukunft blicken kann. „Bist du dir sicher, mein Kind?“ fragt die alte Frau, „ich kann schon in deine Zukunft sehen, wenn du magst. Aber ich kann dir nicht garantieren, dass dir gefallen wird, was ich sehe.“ Voller Spannung stimmst du trotz der Warnung zu.

 

Die Frau streckt ihre Arme aus, berührt dich mit ihren Fingern kurz an den Wangen und sieht dir tief in die Augen. Für einige Sekunden, die dir wie eine Ewigkeit vorkommen, passiert nichts. Dann plötzlich beginnt sie zu sprechen:

Wenn du den rechten Pfad gehst,

bis du vor deiner Prüfung stehst.

Vor dem Wald, ganz im Dunkel,

Stille, in der Ferne Gemunkel.

Eine holde Maid in Not,

SCHNELL, eile hin, sonst ist sie tot.

Unholde, wahre Bestien auf zwei Beinen,

trotzdem mit ihrem Gewissen im Reinen.

Sie jagen sie voll Hass und Wut,

hilf ihr, eile hin voll Mut.

Stelle dich den Bestien entgegen,

und rette zwei Leben.

 

Du warst während ihrer Worte völlig auf sie konzentriert und hast die Welt um dich vergessen. Nachdem sie gesprochen hat, herrscht für einige Sekunden Stille, dann entfernt sie sich wieder etwas von dir und kehrt an ihren warmen Platz ganz nah am Feuer zurück. Den restlichen Abend sprichst du nicht mehr viel mit der alten Wahrsagerin, du bist völlig in Gedanken versunken.

 

Irgendwann schläfst du ein. Du hast einen sehr unruhigen Schlaf, die Prophezeiung geht dir einfach nicht aus dem Kopf.

 

Als du am nächsten Morgen erwachst, ist von der alten Frau keine Spur mehr zu sehen, sie ist verschwunden, so als ob sie nie existiert hätte. Während du dein Zeug zusammenpackst und dich für die weitere Reise fertig machst, denkst du darüber nach, ob diese ganze Begegnung gestern überhaupt real war?

 

Ganz in deine Gedanken vertieft folgst du weiter der Straße, bis du nach in etwa einer Stunde an eine Weggabelung kommst. Wie war das? Wenn du den rechten Weg gehst? Vielleicht war ja damit der Weg nach rechts gemeint.

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